Im Panzer aus Messing

Trugbilder der Exotik: Die langen Hälse der Padaung-Frauen

Ihr Köpfchen scheint über dem Körper zu schweben, mit den schmalen Schultern nur verbunden durch eine lange goldglänzende Schraube. Eine grazile Gestalt, leicht nach vorne geneigt, als hänge zuviel Gewicht an ihrem oberen Ende.

Freundlich und diszipliniert steht Ma Ten da, bis alle ihr Bild haben. Sie ist 47 Jahre alt; mit ihren hohen Augenbögen wirkt sie huldvoll und ein klein wenig spöttisch; so lächelt sie in die Kameras.

 Nordthailand, eine Ansammlung von Bambushütten. Die Touristen haben Eintritt bezahlt für dieses staubige Dorf, für die kurze Begegnung mit einer fremdartigen Ästhetik: Frauen und Mädchen mit überlang wirkenden Hälsen in einem Panzer aus Messing. Femmes giraffe, sagen Franzosen, Giraffenfrauen. Longnecks, sagen Amerikaner, Langhälse. Namen für exotische Tiere. Fröhlich erregt wie bei einer Fotosafari umringen spanische Touristen die huldvolle Ma Ten; ihr Hals ist der spektakulärste im Dorf: Mit 25 Umrundungen umschließt ihn eine enge zweiteilige Messingspirale. Es sieht aus, als pressten sich 25 Ringe zwischen Schulterknochen und Kinn.

Sprachlos ist das Zusammentreffen zweier Welten, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Urlauber mit Dress und Manieren einer legeren westlichen Spaßgesellschaft - und diese Asiatin, die ihr Leben, Tag wie Nacht,  in einer sechs Kilo schweren Halskrause verbringt, sechs Kilo, die ihre Schulterknochen nach unten biegen, damit der Hals so lang erscheint.  Für die Touristen ist Ma Ten tatsächlich Exotik pur - eine aufregend-unbegreifliche goldglänzende Rückständigkeit

Die  Longnecks sind die Star-Attraktion der Provinz Mae Hong Son, Thailands nordwestlichster Ecke, und was die meisten Reiseagenturen ihren Kunden über diese Frauen erzählen, ist absichtsvoll kurz: Ein Bergvölkchen namens Padaung hat von Alters her die Sitte, die Frauen zu Langhälsen zu machen. Und wenn Touristen Eintritt zu deren Dörfern bezahlen, helfen sie den Padaung, ohne materielle Not ihrem traditionellen Lebensstil zu folgen.

Schon entlang der Buckelpiste zu Ma Ten`s Dorf deuten Schilder auf eine rauere Wahrheit: „Displaced persons from fighting", „temporary shelter". Vertriebene, Kriegsflüchtlinge, zeitweiser Schutz. Die Grenze zu Burma ist hier nur zehn Kilometer entfernt, aus Burma (Myanmar) sind die Padaung gekommen, geflohen vor dem burmesischen Militär und dessen jahrzehntelangem Krieg gegen die Guerilla-Armee aufständischer ethnischer Minderheiten. Die Padaung sind ein kleiner Stamm, ein Sprengsel nur im Burma der vielen Völker; als Teil der größeren Karenni-Volksgruppe kämpfen auch die Padaung gegen die Unterdrückung durch die burmesische Zentralgewalt.

Flüchtlinge also. Ma Ten, die Huldvolle, lief sieben Tage durch die Berge, von ihrem Dorf in Burma bis nach Thailand. Wieder und wieder war ihr Dorf vom Militär heimgesucht worden, die Reisernte verbrannt als Strafe für Sympathie mit der Guerilla. Ma Ten lief sieben Tage mit ihrem schweren Halspanzer und zusätzlich je einem Kilo Messingspirale unterhalb der Knie. Sie muss sich weit vorbeugen mit dem versteiften Hals, um überhaupt ihre Füße sehen zu können - und doch erwähnt sie die Strapazen der Flucht kaum. Denn was davor lag, war schlimmer.

Ma Ten erzählt ihre Geschichte mit kargen Worten, oft nur Andeutungen, und immer mit diesem gleichmütigen Lächeln. Für Beschwernis und Leiden hat sie andere Maßstäbe als die Besucher. Mit dem Halspanzer hat sie neun Kinder zur Welt gebracht, das ist nicht der Rede wert. Aber sie weinte während der Flucht, weil sie ihre Kinder erst einmal zurückgelassen hatte; sie floh der Familie voraus, mit ein paar Freunden, um die Route nach Thailand zu erkunden. Wie andere Padaung-Frauen lässt Ma Ten ein kleines gurrendes Lachen hören, wenn man eine Klage erwarten würde. Ein rätselhaftes Lachen; es kommt weit hinten aus der Kehle, aus dem goldglänzenden Halspanzer.

Die ersten Padaung-Flüchtlinge erreichten Thailand bereits vor mehr als 15 Jahren - Ahnungslose, mit modernem Leben völlig unvertraut. Manche hatten in ihren burmesischen Heimatdörfern nie einen Ausländer gesehen. Clevere Thailänder im Grenzgebiet  erkannten rasch den touristischen Marktwert der Messing-Frauen, lotsten sie mit Versprechungen, Tricks, manchmal sogar mit Gewalt an Orte, die für Touristen erreichbar sind.

Das Bambushütten- Dorf Nai Soi, wo Ma Ten lebt, ist eine derartige Siedlung; die Größte von dreien nahe der Provinzhauptstadt Mae Hong Son. Kein Dorf eigentlich, sondern eine seltsame Mischung aus einem Flüchtlingslager für 177 Menschen und einem Schaukasten für jährlich etwa 12 000 Touristen. Am Eingang ein Schlagbaum, daneben lümmeln sich in einer Hütte thailändische Grenzpolizisten vor einem batteriebetriebenen Fernseher. An einem Checkpoint, mit militärischen Tarnfarben bestrichen, müssen sich die Touristen in eine Kladde eintragen; an der nächsten Hütte zahlen sie 250 Baht Eintritt, etwa sechs Euro, das ist viel für thailändische Verhältnisse.

Eine lehmige Hauptstraße, ausgewaschen vom Regen. Links und rechts Souvenirstände, bunte handgewebte Schals leuchten unter dem Blätterdach der Bambusgerüste. Jenseits der Straße, ein wenig den Hang hinauf, Alltagsleben mit Halspanzer. Frauen schrubben mit Topfschwämmen ihre Messingspiralen blank, hacken Holz mit steifem Hals, stechen Entwässerungsrinnen aus, den Körper zum Bogen gespannt.

Der unkundige Blick erkennt die Künstlichkeit dieses Ortes nicht, denn es sind unsichtbare Regeln, die das Leben in diesem Camp bestimmen. Opulent farbenfroh wirkt das Kostüm der Frauen - die Vorschriften des Schaukastens schreiben vor, wie es auszusehen hat. Die Messingspiralen um Hals und Waden verstehen sich von selbst, gleichfalls zwölf Blechreifen um die Arme, aber auch der Rest muss ansichtskartengerecht original sein. Ein aufwendiger Kopfschmuck mit vielen Tüchern, die Frisur vorne ein Pagenkopf, hinten das lange Haar zum Dutt gedreht, eine weiße Tunika über einem kniekurzen Röckchen, unterhalb der Beinspiralen leuchtend blaue Stoffgamaschen. Das Kostüm ist nicht unecht, aber unecht ist seine Einheitlichkeit, frei von all jenen Abweichungen, die in einer lebendigen Tradition normal wären. Erst abends nach 18 Uhr, wenn das Camp für Besucher geschlossen ist, ziehen die Frauen eine Jacke über, wenn ihnen kalt ist, oder einen langen Rock.

Stets dem Werbebild vom traditionellen Bergstamm zu gleichen - dafür bekommen 65 Frauen und Mädchen in diesem Camp ein Monatsgehalt: 1500 Baht (etwa 38 Euro) die Erwachsenen, Mädchen unter 12 Jahren die Hälfte.  Die kiloschweren Halspanzer zu tragen, ist eine Erwerbstätigkeit geworden. Die Frauen und Mädchen ernähren so ihre Familien. Und viele Mädchen wachsen überhaupt nur deshalb zu körperlich deformierten Langhalsigen heran, weil Touristen für diesen Anblick bezahlen.

Früh muss mit dem Biegen der Knochen begonnen werden, damit später die Illusion des verlängerten Halses entsteht. Mit fünf Jahren wird den Mädchen das erste Kilo Messing umgelegt, ein zweites mit acht Jahren, das dritte mit 12, das vierte mit 15, unter dem Gewicht sacken die Schultern immer mehr nach unten. In den 26 Familien des Camps Nai Soi sind  40 kleine Mädchen bereits Longnecks - eine solche Häufigkeit gibt es in keinem der burmesischen Heimatdörfer der Padaung. Die touristische Gier nach Exotischem hat eine Sitte wiederbelebt, die an ihrem Ursprungsort längst im Aussterben begriffen ist.

Nur in den entlegendsten Dörfern Burmas übernahmen Frauen wie Ma Ten noch die Tradition ihrer Mütter und Großmütter. Dörfer, wo früher nicht einmal die christlichen Missionare hingekommen waren - sie bekämpften die Messingpanzer mit Erfolg schon im 19. Jahrhundert; die Sitte erschien ihnen nicht nur ungesund, sondern vor allem auch heidnisch. Und heutzutage? Eden Phan, ein Heimatforscher der Padaung, der jetzt als Flüchtling im Camp lebt, sammelte vor einem Jahrzehnt Daten in Burma. Er fand dort in 22 498 Padaung-Familien nur noch 904 Longnecks, also in weniger als jeder zwanzigsten Familie - und meist waren es ältere Frauen.

Die kleinen Messing-Mädchen im Flüchtlingscamp wirken nicht gequält. Sie toben herum, posieren ohne Scheu für die Kameras; sie finden sich schön - und sie geben auf Fragen alle eine erstaunlich gleichlautende Antwort: „Am Anfang habe ich viel geweint, ich konnte nicht richtig essen und nicht schlafen, aber dann habe ich mich daran gewöhnt." Die Mütter beteuern, kein Mädchen werde in die Spirale gezwungen. Aber wie frei ist die Entscheidung einer Fünfjährigen? Nur wer das Messing trägt, spielt eine Rolle im Camp, wird beachtet, bestaunt, fotografiert, sieht sich auf Ansichtskarten, verdient Geld. Niemand wird gezwungen, aber es gibt es einen stummen Zwang der Verhältnisse - die Eintönigkeit und Perspektivlosigkeit jahrelangen Flüchtlingsdaseins. 

Ma Cho ist 17; ein vibrierendes Geschöpf von neun Jahren Leben in diesem Schaukasten. Zum archaischen Halspanzer trägt sie Plateau-Sandaletten, Lippenstift, grellen Lidschatten und schweres Parfüm. Regelwidrig stopft sie sich die weite Tunika in einen enggewickelten Sarong, das sieht sexier aus. Ma Cho, die Kokette, ist die Tochter von Ma Ten, der Huldvollen. Wenn sich die Touristen an der Mutter satt fotografiert haben, verhandelt Ma Cho die Preise am Souvenirstand, in englisch, französisch, spanisch, deutsch. Gern kaufen die Touristen die schwarzen nackten Holzfrauen, mit durchgebogenem Rücken und einladend herausgedrückten Brüsten, eine Art Afrika-Kitsch mit Padaung-Ringen um den Hals, made in Thailand.  Ma Cho räkelt ihr Kinn lasziv über´m engen Messing.

Soviel Sehnsucht in diesem Mädchen. Seit Jahren stiefelt die Welt an ihr vorbei in kurzen Hosen und Sonnentops. „Ich möchte hinaus in die Welt", sagt sie, „irgendwohin, aber ich kann ja nicht. Ich muss immer hier bleiben." Vor zwei Jahren ließ sie den Halspanzer für ein paar Wochen abnehmen, weil sie Schmerzen hatte - und sie fand sich so hässlich, dass sie sich nicht an den Stand traute: die hängenden Schultern, der Hals dunkel verschorft und vernarbt vom ewig scheuernden Messing und zu vielen Hautkrankheiten. Nackt fand sie sich wertlos, ein beschädigtes Wesen, ungeeignet für die Welt da draußen; sie zog das Korsett wieder an. „Es ist zu spät für mich", sagt sie, und für einen Moment sitzen Tränen in der Kehle hinter dem Panzer.

Goldglänzende Fesseln. Der Halspanzer erzwinge die eheliche Treue der Padaung-Frauen, das ist eine der phantastischen Legenden um den historischen Ursprung der Sitte: Der Untreuen die Messingspirale zu nehmen, sei eine Strafe schlimmer als der Tod; unter ständiger Erstickungsgefahr müsse sie den Rest des Lebens liegend verbringen, weil der Hals den Kopf nicht mehr trage. Tatsächlich aber ist es möglich, das Korsett ohne Lebensgefahr zeitweise zu entfernen. Auch Ma Ten, die Huldvolle, tat es vor ein paar Jahren; ihre Knochen schmerzten sehr, sie musste ins Krankenhaus. Aber sie fühlte ihren Kopf gefährlich schlackern und verlor jeden Augenblick die Balance. Röntgenaufnahmen belegen, dass bei einer Frau nach dreißig Jahren Belastung durch die Gewichte das gesamte Rippengerüst widernatürlich verformt ist. Die Padaung selbst sagen: Ab dem Alter von 15 gibt es kein Zurück mehr, dann begleitet sie das Messing bis ins Grab.

Ihrer Schöpfungsmythologie zufolge stammen die Padaung aus der Paarung eines Einsiedlers mit einem weiblichen Drachen. Die jungen Mädchen und Frauen mit einem funkelnden langen Hals und einem gezackten Kopfputz der mächtigen Drachenmutter ähnlich zu machen, sei der Ursprung der Sitte, erzählen alte Frauen in Burma. Das mythische Aussehen sollte Schutz verleihen, sollte jene Mädchenräuber abschrecken, die in Gestalt von Königen oder Kaufleuten unter den Bergvölkern wilderten.

Macht oder Schwäche, Schutz oder Erniedrigung - die touristische Vermarktung der Messing-Frauen wirkt wie ein ironisches Echo der alten Mythen. Die Frauen im Camp wissen über Tradition nichts zu erzählen; sie verkaufen ihr Aussehen wie resolute, pragmatische Händlerinnen - und sind doch nur Ware in einem Business, dessen Regeln andere bestimmen. Fast nie bekommen sie die Drahtzieher zu Gesicht: Eine Gruppe thailändischer Geschäftsleute verwaltet die Einnahmen des Camps, zieht die Strippen in einer Grauzone zwischen Legalität und Illegalität, Korruption und Politik.

Niemand rückt exakte Zahlen heraus, aber den Frauen kommt weniger als die Hälfte der Eintrittsgelder zu Gute; mehr wandert in die Taschen der Hintermänner. Und die kooperieren still mit der burmesischen Guerilla: Die Unabhängigkeits-Kämpfer der Karenni, zu denen sich die Padaung zählen, stellen eine Art Regierung in den Flüchtlingscamps, sorgen für Ruhe und Ordnung - im Gegenzug fließt ein unbezifferbarer Anteil der Touristengelder in den bewaffneten Kampf jenseits der Grenze. In der zweiten Reihe dann die ganz legalen Nutznießer, die Reiseagenturen, die Hotels.... Der Tourismus in der Provinz Mae Hong Son verzeichnet zweistellige Zuwachsraten; viele profitieren von den goldglänzenden Hälsen.                 

Über die Lehmstraße im Camp Nai Soi weht eine melancholische Melodie. Eine Frau schlägt die vier Saiten einer Gitarre aus rohem Holz, singt dazu in der Sprache der Padaung. Ein Lied über die rasche Vergänglichkeit von Glück und Schönheit, in einer fremden, rauen Tonart. „Take a seat", sagt die Gitarrenspielerin weltläufig und deutet auf die Stufen ihrer Hütte.

Ma Nang ist 47, Ma Nang die Stolze. Ihre klugen skeptischen Augen mustern ständig die ereignisarme Campstraße. „Die beste Zeit im Leben ist vor der Heirat. Solange man alleine ist, kann man tun, was man möchte. - Siehst Du meinen Mann da drüben? Er ist schon wieder besoffen." Sie lacht das kleine gurrende Lachen. Die Männer im Camp hängen meistens herum, sie leben von den Frauen. Ma Nang bietet ihren Mann manchmal einer Touristin an, als Souvenir. „Nimm ihn mit, Du kriegt ihn kostenlos."

Mit routinierten Handgriffen macht sie eine blonde Besucherin für´s Foto zurecht: Stülpt ihr eine weite Messingspirale über den Hals, hängt ihr vorne die weiße Tunika um, noch andeutungsweise ein buntes Tuch über´s Haar, schon sitzt sie neben der so Dekorierten,  schiebt freundschaftlich ihren steifen goldenen Hals zu ihr hin, fertig, Klick! Das nächste Bild dieses Tages wird die Blonde auf einem Elefanten zeigen, sie hat die Langhälse im Paket gebucht.

Ist das Geschäft hier fair, Ma Nang? Sie schiebt den  Hals weit nach vorn, spuckt rote Betelnussspucke aus und sagt: „Es ist besser als nichts." Gedankenverloren ruckelt sie mit einer Hand an der Spirale, wie Männer an einer zu eng geschnürten Krawatte ruckeln. Ihre Arme sind muskulös, Ma Nang ist die geübteste Klempnerin im Camp, die Klempnerin für Hals- und Beinpanzer. Mit einem simplen Stahlwerkzeug zwingt sie die Spiralen auf, wenn eine Frau schwer krank ist oder wenn die kleinen Mädchen ein Kilo mehr draufbekommen. Ma Nang nimmt Geld dafür; die Halspanzer zu montieren ist ebenso ein Gewerbe wie sie zu tragen.

Ma Nang kennt alle Geschichten im Camp, sie verrät auch Geschichten, die sich sonst niemand traut zu erzählen. Wie Ma Ten, die Huldvolle, einige Frauen zum gemeinsamen Abhauen überreden wollte; dann kam ein Mann von der Guerilla-Regierung und maßregelte die Huldvolle wie ein dummes kleines Mädchen. Kaum jemand flieht - „fliehen" sagen die Frauen, wenn sie meinen: das Camp verlassen. Das Dorf ist nicht umzäunt, der Käfig ist offen, und doch fühlen sie sich wie Gefangene, Gefangene ihrer Lage.

Materiell geht es den Padaung besser als anderen burmesischen Flüchtlingen; mehr als 30 000 leben allein in Lagern nahe Nai Soi, angewiesen ausschließlich auf die Reisspenden von Hilfsorganisationen. Aber die Messing-Frauen wissen, wie leicht sie zur Beute von Menschenhändlern werden - und wie rechtlos sie sind.

Bis heute wurde der thailändische Besitzer eines Hostessen-Clubs nicht bestraft, der vor fünf Jahren 33 Padaung-Frauen und Mädchen aus Burma entführen ließ, in die Nachbarprovinz Chiang Mai. Er hielt sie dort für die Touristen in einem gefängnisähnlichen Lager; wer aufbegehrte, wurde misshandelt. Erst nach ausländischen Presseberichten über den „Menschenzoo" wurde das Lager geschlossen.

Wer die Hand auf dem lukrativen Business hat, verteidigt sein Revier mit allen Mitteln. So ist es in Huay Pa Kaeng, einer abgelegenen Padaung-Siedlung am Pai-Fluss. Der Fluss ist entscheidend, denn Touristen gelangen nur per Boot hierhin - ein Bootsbetreiber hat das Monopol, kassiert die Eintrittsgelder für`s Dorf gleich mit. Bestechung, sagen Insider, sorge dafür, dass niemand anderes eine Lizenz  auf diesem Fluss bekommt.

 Einsam und idyllisch liegt das Dörfchen zwischen grünen Hügeln; die Grenze zu Burma ist nur vier Kilometer entfernt. Oben am Hang eine Grundschule, Mädchen mit und ohne Messing lernen mit einer jungen Lehrerin gerade Erbsensäen. Die Beschriftung der Schule ist in englisch, Touristen sollen das Gefühl haben, ihre Eintrittsgelder bewirken Gutes - und zu einem gewissen Prozentsatz tun sie das auch. Aber es liegt eine bleierne Depression über diesem Dorf, wo man nur die Hähne krähen hört und die Frösche quaken, und die Frauen weben schweigend an den Schals für die Touristen.

Ma Pei, 35 Jahre, trägt keinen Messingpanzer. Aber sie konnte nicht verhindern, dass zwei ihrer Töchter damit begannen in diesem Camp. Ma Pei ist eine politisch wache Frau, ihr Mann ist bei der Guerilla, manchmal kommt er zu Besuch, ruht sich aus bei ihr. „Ich hoffe, dass wir alle irgendwann zurückkönnen", sagt sie, „wenn es Demokratie gibt in Burma." Auch Ma Pei webt Schals, sie hat seit zwei Monaten keinen verkauft. Die Touristen kaufen nicht gern bei einer Flüchtlingsfrau, die eine zerschlissene Hemdbluse trägt und einen ganzen normalen Hals hat und Sorgen um die Zukunft ihrer Töchter.